Was sich zu lesen lohnt

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Uwe Timm
Alle meine Geister
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, 280 Seiten
Uwe Timm ist einer der bedeutenden deutschen Schriftsteller der Gegenwart. Seine Romane reflektieren mit wechselnder Intensität seine und damit unsere eigene Zeit. Jetzt hat er mit „Alle meine Geister“ einen Band mit Erinnerungen vorgelegt, den man gar nicht als solchen bezeichnen mag. Es ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit dem, was er als seine Erinnerung wahrnimmt. Das allein ist schon spannend. Das Schöne daran ist aber Uwe Timms Erzählkunst. Subjektiv, so gut wie nie Allgemeingültigkeit beanspruchend, und doch verbindlich und fesselnd bis zum Schluss.
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Annette Mingels
Der letzte Liebende
Roman
Penguin Verlag, München 2023, 304 Seiten
Wer hat sich nicht schon mal gewundert, dass andere Leute jemanden, den man verabscheut, ganz gut leiden können? Annette Mingels konfrontiert uns mit menschlicher Ambivalenz. Mit derselben Feinfühligkeit, mit der sie auch in ihren bisherigen Büchern die Haarrisse und Bruchstellen herausgearbeitet hat, aus denen Konflikte erwachsen und an denen die Liebe zerbricht, stellt sie uns ihren neuen Helden vor. Als Motto hat sie ein Zitat von Nick Cave an den Anfang gestellt: „Du kannst dich mehrfach häuten, aber wirst immer dieselbe verdammte Schlange bleiben.“
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María Gainza
Schwarzlicht
Roman. Aus dem argentinischen Spanisch von Peter Kultzen
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2023 160 Seiten
María Gainza, Kunstkritikerin und vielgelobte Autorin, zieht hier eine Recherche-Geschichte um eine fiktive Person des Kunstmarkts auf, in der sie allerhand erzählt über die Mechanismen der Kunstwelt, vor allem aber ihr fulminantes Erzählvermögen ausspielt. Im Mittelpunkt steht Enriqueta, eine angesehene Kunstkritikerin, die sich ihr Leben verbessert, indem sie falsche Gutachten abgibt - ein guter Einstieg, um aus ungewöhnlichen Lebensumständen einen Roman zu machen.
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Castle Freeman
Treue Seele
Roman. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
Hanser Verlag, München 2023, 224 Seiten
Castle Freeman erzählt Geschichten aus der US-amerikanischen Provinz. Die Männer sind hart im Nehmen, unsentimental und kurz angebunden, die Frauen dementsprechend. In Freemans vorherigen Romanen ging es um Konflikte innerhalb dieser Gesellschaft. Sheriff Wing als obere Instanz spielt hier wieder seine Rolle, wenn auch nicht maßgeblich. Denn dieses Mal geht es um die Liebe, und wie das bei hartgesottenen Männern in Romanen vielleicht sein muss, dauert es zwanzig Jahre, bis die Liebe ihre Erfüllung findet. Daher der Titel.
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Cordelia Edvardson
Gebranntes Kind sucht das Feuer
Roman. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein. Mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann.
Hanser Verlag, München 2023, 141 Seiten
Es gibt ein paar Bücher von Überlebenden des Holocaust, von Imre Kertész und Ruth Klüger, Primo Levi und Tadeusz Borowski, um nur diese vier zu nennen, die jedes für sich bedeutende Zeugnisse der Menschheit sind. Cordelia Edvardson gehört zu ihnen. Ihr Buch „Gebranntes Kind sucht das Feuer“ erschien 1984 und wurde jetzt, dank Daniel Kehlmann, wieder aufgelegt.
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Benjamín Labatut
Maniac
Roman. Aus dem Englischen von Thomas Brovot
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 395 Seiten
Wer künstliche Intelligenz verstehen will, wie sie geschaffen wird und wie sie funktioniert, findet hier einiges an Aufklärung. Benjamin Labatut hat einen Roman, nicht ein Sachbuch geschrieben, dabei aber eher in der besten Manier eines Essayisten unterschiedliche Aspekte seines Themas so zueinandergestellt, dass man erkennen kann, wie künstliche Intelligenz gewachsen ist. Ausgangspunkt ist ein Ausnahmemensch des 20. Jahrhunderts, dessen mathematischer Verstand seine Zeitgenossen verblüffte und, je nach Ehrgeiz, einschüchterte: John von Neumann, Spross einer ungarischen Bankiersfamilie, die vor den Judenverfolgungen flüchtete, und der in den USA beim Manhattan Projekt an der Entwicklung von Atombombe und Wasserstoffbombe maßgeblich beteiligt war.
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