, Moritz Rinke Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel Kiepenheuer & Witsch

Moritz Rinke hat viel Personal aufzubieten für seinen Roman vom „Mann, der durch das Jahrhundert fiel“: Im Mittelpunkt der glücklose Berliner Galerist Paul Kück, dessen Mutter als gealterte Hippie-Aussteigerin auf Lanzarote lebt und ihrem Sohn regelmäßig Salat von der Insel schickt, weil sie den für besser hält als das, was in Berlin verkauft wird. Wenn der Salat bei Paul eintrifft, ist er allerdings nicht mehr so gut. Die Mutter ist Tochter eines einstens großen Bildhauers, dessen Ruhm mit den 1950er Jahren ausgeklungen ist. Er wirkte in der Künstlerkolonie Worpswede, und dort steht das Haus der Kücks am Rand des Teufelsmoors. Dies Haus ist seit Neuestem in Gefahr, in den moorigen Untergrund zu versinken. Paul wird beordert, das Erbe zu retten, eigentlich: den letzten festen Vermögenswert der Familie vor dem sprichwörtlichen Untergang zu bewahren, zumal der in Worpswede herrschende rege Kunst-Unterrichts- und Künstler-Gedenk-Betrieb die Lage der Immobilie aufwertet. Im Schatten der berühmten Paula Modersohn-Becker und Heinrich Vogeler haben sich mit der Zeit einige halbe Künstlergrößen eingerichtet, und die schwarzen Schafe der NS-Zeit macht man gerne vergessen, zum Beispiel Fritz Mackensen. Mit Pauls Ankunft im Haus der Großeltern beginnt eine verwickelte, handlungsreiche, zum Teil trocken komische Geschichte, die sowohl die finsteren Geheimnisse von Pauls Familie, zum Teil die norddeutsche Künstlerszene in Szene setzt.

Was ist dieser Roman denn mehr, ein Künstler- und Kunstbetriebsroman oder ein Familienroman?

Moritz Rinke ist in Worpswede geboren, er erzählt von der Welt, die ihn geprägt hat, und wie es bei Einheimischen gegenüber den Touristen öfters ist, sieht er mit einem kritischen, zugleich spöttischen Blick auf diesen regionalen Mikrokosmos der Kunstgeschichte, bleibt dabei aber immer liebevoll mit seinen diversen Helden, sei es der zurückgebliebene Sohn eines Onkels, sei es sein teilweise hilfloser Held, der sich immer wieder auf einen Zettel schreiben muss, was eigentlich ansteht, und welche Fragen er zuerst beantwortet haben muss.

Wie prägt es einen künstlerisch begabten Menschen, in eine Künstlerkolonie geboren zu sein?

Der Roman endet mit der Erhellung einiger dunkler Aspekte des Ortes und seiner angesehenen Künstler, und mit der Aufdeckung eines wahrhaft finsteren Familiengeheimnisses. Rinke hat aus seinem Geburtsort nicht nur Zuspruch erhalten, manche empfinden es als beeinträchtigend für das Ansehen Worpswedes und seiner Künstlerkolonie, dass die Schattenseiten der NS-Zeit zur Sprache kommen. Vor allem aber seien es jüngere Worpsweder, die sein Buch als informativ begrüßten. Für Außenstehende ist es ein äußerst amüsanter und ab der Mitte regelrecht spannender Roman.

ISBN: 978-3-462-04190-3
http://www.kiwi-verlag.de/36-0-buch.htm?isbn=9783462041903