Weidle Verlag
Das Buch entfaltet seinen trockenen Charme mehr in der Stimmung als in Pointen, Gunnarsson hat sich sehr liebevoll die komplexgesättigte Gefühlslage seines jugendlichen Helden Andri anverwandelt, ein pubertierender Junge, der seinen Platz in der Welt erst noch erobern muss. Das kann er nur, wenn er verstanden hat, wie die Welt ist. Als er mit seinen Eltern in die Haupt-Stadt Reykjavik zieht, versteht er aber noch viel weniger. Ihn irritiert, dass seine neuen Mitschüler keinen Respekt haben für die Werte, die ihm anerzogen worden sind.
Spiegelt sich in Andris Verunsicherung die Veränderung, die in dieser Zeit in Islands Gesellschaft stattgefunden hat?
Natürlich durchlebt Island in dieser Zeit, also den 1960er Jahren, einen Wechsel, der sich ziemlich schnell vollzieht. Diese Jugendlichen sind sehr verschieden von ihren Eltern, und total anders als ihre Großeltern, die alle erst vom Land in die Stadt gezogen sind. Sie sind die erste Generation, die in einer Stadt groß wird. Darum sind ihre Werte und Grundsätze vollkommen anders. Und darin, im Wandel der Maßstäbe, ist es in Island ganz ähnlich wie bei uns: Es sind die Jahre der beginnenden Pop-Kultur, die Beatles und ihre so optimistische und gutlaunige Musik belebt die jungen Seelen, während zuhause noch die abgestandene Ästhetik der Nachkriegszeit vorherrscht. Andri erlebt sich als Mittelpunkt der Welt und fühlt sich dabei irgendwie als Null. Er eckt an, er muss sich zurechtfinden und er verfängt sich in seinen unfreiwillig komischen Widersprüchen. Dabei lässt sein Autor Gunnarsson eine leichte, mitfühlende Situations-Komik entstehen.
Andri fühlt sich beobachtet und ist unsicher, und zugleich findet er, er würde gar nicht wahrgenommen. Was ist denn das für einer?
Die Aufbruchsstimmung Andris mündet schließlich in das Erlebnis, das er sich die ganze Zeit gewünscht und erträumt hatte: nämlich eine Freundin zu haben, mit der er sich erfüllen kann, was andere verheißen hatten. Die Idee, er würde zum Mann, weil er zum ersten Mal Sex hat, entspricht dabei noch der Zeit, die Andri gerade überwindet und bald hinter sich gelassen hat. Auch der Moment ist traditionsverbunden: Es ist in der Mitte des Sommers, wenn in Island am ersten Wochenende im Juli auf zahllosen Festen der Sommer gefeiert wird.
Und so, wie der Titel dem Lebensgefühl Andris entspricht, der, was er zum ersten Mal erlebt, als erstmaliges Ereignis deutet, so scheint uns auch die Landschaft Islands mit ihren heißen Quellen und Geysiren ideal als Illustration der Empfindungswelt Andris. Was seine Geschichte vor übertriebenem Pathos bewahrt, ist der Erzähler, der uns in seinem Buch immer wieder mit unerwarteten Wendungen, Pointen und gelegentlich burlesken Einfällen in bester Laune hält.
ISBN: 978-3-938803-44-8
http://www.weidleverlag.de/buch.php?vorname=Petur&nachname=Gunnarsson