, Petur Gunnarsson ich meiner mir mich aus dem Isländischen von Benedikt Grabinski,
Weidle Verlag

Wer redet hierzulande schon von Island, außer wenn ein dortiger Vulkan den europäischen Luftverkehr lahmlegt oder wenn die Isländer zeigen, wie man mit Finanzkrisen fertigwerden könnte? Weil Island 2011 das Thema der Buchmesse war, sind jetzt ein paar isländische Romane mehr als normal in den deutschen Sprachbereich gelangt, einige mit großem Erfolg, und dazwischen auch ein paar stillere, feine Romane, die uns Lesern Freude machen. Zum Beispiel die Erzählung einer Jugend in vier Bänden, von denen bisher zwei Bände übersetzt sind, die in Island schon vor vielen Jahren verlegt wurde. Der Autor ist Pétur Gunnarsson, Jahrgang 1947, und von dem, was er geschrieben hat, ist der zweite Band, „Ich meiner mir mich“, gewissermaßen frisch geblieben. Der Autor Gunnarsson gibt sich ganz bescheiden, er sei doch etwas überrascht, dass nun auch auf Deutsch zu haben ist, was er von seiner isländischen Jugend in den 60er Jahren erzählt. Er habe über seine eigene Generation schreiben wollen, und seitdem sind 35 Jahre vergangen. Obwohl dieser Roman eines Jugendlichen bereits 1978 im Original erschienen ist, hat er nichts eingebüßt von seiner Unmittelbarkeit.

Liegt das daran, dass vieles an dem Buch autobiographisch, also aus dem eigenen Leben erzählt ist?

Das Buch entfaltet seinen trockenen Charme mehr in der Stimmung als in Pointen, Gunnarsson hat sich sehr liebevoll die komplexgesättigte Gefühlslage seines jugendlichen Helden Andri anverwandelt, ein pubertierender Junge, der seinen Platz in der Welt erst noch erobern muss. Das kann er nur, wenn er verstanden hat, wie die Welt ist. Als er mit seinen Eltern in die Haupt-Stadt Reykjavik zieht, versteht er aber noch viel weniger. Ihn irritiert, dass seine neuen Mitschüler keinen Respekt haben für die Werte, die ihm anerzogen worden sind.

Spiegelt sich in Andris Verunsicherung die Veränderung, die in dieser Zeit in Islands Gesellschaft stattgefunden hat?

Natürlich durchlebt Island in dieser Zeit, also den 1960er Jahren, einen Wechsel, der sich ziemlich schnell vollzieht. Diese Jugendlichen sind sehr verschieden von ihren Eltern, und total anders als ihre Großeltern, die alle erst vom Land in die Stadt gezogen sind. Sie sind die erste Generation, die in einer Stadt groß wird. Darum sind ihre Werte und Grundsätze vollkommen anders. Und darin, im Wandel der Maßstäbe, ist es in Island ganz ähnlich wie bei uns: Es sind die Jahre der beginnenden Pop-Kultur, die Beatles und ihre so optimistische und gutlaunige Musik belebt die jungen Seelen, während zuhause noch die abgestandene Ästhetik der Nachkriegszeit vorherrscht. Andri erlebt sich als Mittelpunkt der Welt und fühlt sich dabei irgendwie als Null. Er eckt an, er muss sich zurechtfinden und er verfängt sich in seinen unfreiwillig komischen Widersprüchen. Dabei lässt sein Autor Gunnarsson eine leichte, mitfühlende Situations-Komik entstehen.

Andri fühlt sich beobachtet und ist unsicher, und zugleich findet er, er würde gar nicht wahrgenommen. Was ist denn das für einer?

Die Aufbruchsstimmung Andris mündet schließlich in das Erlebnis, das er sich die ganze Zeit gewünscht und erträumt hatte: nämlich eine Freundin zu haben, mit der er sich erfüllen kann, was andere verheißen hatten. Die Idee, er würde zum Mann, weil er zum ersten Mal Sex hat, entspricht dabei noch der Zeit, die Andri gerade überwindet und bald hinter sich gelassen hat. Auch der Moment ist traditionsverbunden: Es ist in der Mitte des Sommers, wenn in Island am ersten Wochenende im Juli auf zahllosen Festen der Sommer gefeiert wird.

Und so, wie der Titel dem Lebensgefühl Andris entspricht, der, was er zum ersten Mal erlebt, als erstmaliges Ereignis deutet, so scheint uns auch die Landschaft Islands mit ihren heißen Quellen und Geysiren ideal als Illustration der Empfindungswelt Andris. Was seine Geschichte vor übertriebenem Pathos bewahrt, ist der Erzähler, der uns in seinem Buch immer wieder mit unerwarteten Wendungen, Pointen und gelegentlich burlesken Einfällen in bester Laune hält.

ISBN: 978-3-938803-44-8

http://www.weidleverlag.de/buch.php?vorname=Petur&nachname=Gunnarsson