Interviews

, Per Olov EnquistEin anderes LebenCarl Hanser Verlag

Schon in dem Roman, der bei uns so großen Erfolg gehabt hat, Der Besuch des Leibarztes, ist es dieser besondere, kreisende, quasi tastende Tonfall, der eine gewisse Unsicherheit, auch Unbestimmtheit in sich trägt, und der bei einem historischen Roman als Folge des zeitlichen Abstandes aufgefasst werden kann. In Lewis Reise geht es um die gewaltige Glaubensbewegung der „Pfingstler“, die in Schweden in der Arbeiterschaft wirkte, und die auch die Mutter des Autors, oder zumindest des Erzählers in dem Buch, erfasst hatte.

In diesem Buch, dessen Titel an Derek Walcotts großes karibisches Epos Another Life erinnert, erzählt Enquist von sich selbst, von seiner gläubigen und strikten Mutter, der Kindheit ohne Vater, der ihm aber immer wieder präsent wird in seinem Empfindungen, wie er sich, als Sohn der Dorflehrerin, durch Gymnasium und Studium weit aus der Welt seiner Familie hinausbewegt, ähnlich seinem Onkel, der einmal einen besonderen Fuchs in Stockholm ausgestellt hatte, was eine halbe Weltreise gewesen war.

Immer scheint Ihr Vater präsent zu sein – an was für Momenten haben Sie ihn vergessen?

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, Boualem SansalDas Dorf des DeutschenMerlin

Zwei in Frankreich aufgewachsene junge Algerier erfahren, dass ihr Vater, ein in Algerien naturalisierter Deutscher, und ihre Mutter in ihrem Heimatdorf zusammen mit einer Anzahl anderer Dorfbewohner umgebracht worden sind – es ist die Zeit des algerischen Bürgerkriegs der 90er Jahre, als Islamisten, oder angeblich Islamisten, unter der Zivilbevölkerung Angst und Schrecken verbreiteten.

Der ältere der beiden Brüder entdeckt, dass ihr Vater, der sich im algerischen Unabhängigkeitskrieg verdient gemacht hat, dann als Hassan Hans Schiller die schöne Tochter des Dorfscheichs geheiratet hat und nach dessen Tod selbst zum weithin angesehenen Scheich geworden ist – dass also ihr Vater früher als Mitglied der Waffen-SS in Buchenwald, Dachau, Lublin-Majdanek tätig war.

In Frankreich hat dieser neue Roman von Boualem Sansal zu Beginn dieses Jahres eine heftige Debatte ausgelöst. "Le Village de l'Allemand – Das Dorf des Deutschen“ verbindet die Themen der Schoah, der Pariser Vorstadtrealität und der algerischen Zeitgeschichte. SS-Leute, Kriegsverbrecher, die in arabischen Ländern untergetaucht sind. Damit rührt Sansal an einen Punkt, an dem man in Deutschland sensibel ist.

Wundert Sie, dass in Deutschland noch mal ein ganz anderes Interesse an Ihrem Roman besteht?

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Was sich sonst zu lesen lohnt

, Melitta BreznikNordlichtLuchterhand

Eine Frau steigt aus: aus ihrer Beziehung, aus ihrem Beruf, aus ihrer Welt. Der Mann hängt ihr zum Hals raus, Psychiaterin zu sein zieht sie runter. Ein Schritt, wie er radikaler kaum sein kann: Sie zieht auf die Lofoten, jene Inseln im Norden von Norwegen, und durchlebt dort den arktischen Winter, die „Dunkelzeit“, wie eine brachiale Kur, in der ein Mensch erst wieder zu sich kommen kann, wenn er lang genug und tief genug unten gewesen ist.

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, François GantheretDas Gedächtnis des WassersAus dem Französischen von Dirk Hemjeoltmanns
dtv

Eine Jugendliebe, beide 16 Jahre alt, ineinander unsterblich verliebt, in den malerischen Alpen Savoyens. Und dann bricht das Unfassbare über diese scheinbar idyllische Welt herein.

Pauls Freundin Claire fällt einem Gewaltverbrechen zum Opfer, der Täter bleibt im Dunklen. Besonders tragisch ist für Paul, dass er sich unmittelbar vor der Tat von Claire für den Abend verabschiedet hatte, und nur die Zeugenaussage seines Vaters ihn vor einem Tatverdacht befreit.

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, Aleksander HemonLazarusAus dem Englischen von Rudolf Hermstein
Knaus

Ein übler Übergriff der Chicagoer Polizei vor hundert Jahren, ein junger Bosnier als Kriegsflüchtling in den USA und die Suche nach den vergessenen Opfern antijüdischer Pogrome in Mitteleuropa – daraus hat Aleksandar Hemon einen Tatsachenroman, zugleich den Bericht einer irritierenden Suche gemacht.

Zwei unterschiedliche Handlungsstränge führen uns in das Amerika von 1908, ins postkommunistische Mitteleuropa und schließlich ins heutige Sarajewo. Ein junger jüdischer Einwanderer, Lazarus Averbuch, der aus Osteuropa vor dem Antisemitismus geflüchtet ist, nachdem er knapp ein Pogrom in Kischinjow, dem heutigen Kischinau in Moldavien, überlebt hat. In Chicago überlebt er als Arbeiter, und als er eines Tages beim Polizeichef vorstellig werden will, erschießt ihn dieser aus dümmlicher Panik.

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, Lars GustafssonFrau Sorgedahls schöne weiße ArmeAus dem Schwedischen von Verena Reichel
Hanser

Wie sich in der Erinnerung auch der konkreteste Vorfall verändert, wie die Wünsche, die Auffassungen und der perspektivische Eigensinn den Blick zurück beeinflusst.

Er ist ein heiter gelassener Erzähler, und er lässt einen heiter gelassenen älteren Mann erzählen, eigentlich könnte man sagen, Gustafsson erzählt seine eigene Jugendzeit, aber um das nicht zu deutlich werden zu lassen, um die Gelassenheit beizubehalten, setzt er auf die zweite Seite seines Romans die philosophische Hypothese: „Es gibt mich nicht. Ich habe niemals existiert. So einfach ist das.“ So kompliziert, oder: so spielerisch ist das.

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, Edvard HoemDie Geschichte von Mutter und VaterAus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen
Suhrkamp taschenbuch

„Ich hatte Vater nicht lieb, als ich mit ihm zusammenkam, aber ich habe ihn liebgewonnen, weil er beständig war, beständig und treu, und das ist genauso wichtig wie Liebe.“ Dieser Satz ist Ausgangspunkt eines der schönsten Taschenbücher des Frühjahrs.

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