, Joost Zwagerman Duell Novelle, aus dem Niederländischen von Gregor Seferens
Weidle Verlag

Ein 30-Millionen-Bild wird mit einem Trick entwendet, und die Polizei soll außen vor bleiben. Wie die Eitelkeiten der Kulturleute auch unser Kulturgut gefährden.

Ein Kampf der Eitelkeiten – die freche Künstlerin und der smarte Museumsdirektor.

Der unerhörte Trickdiebstahl eines 30-Millionen-Gemäldes und die anschließende Odyssee des Meisterwerks durch ungeeignete Ausstellungsräume. Der Titel verspricht, was es tatsächlich ist: ein Duell. Zwischen Mann und Frau, zwischen der Aktions-Künstlerin und dem Direktor eines klassischen Kunstmuseums, zwischen den gültigen Begriff, was Kunst ist, und den Versuchen der nachwachsenden Künstlergeneration, etwas Eigenes dagegenzusetzen. Jelmer Verhooff und Emma Duiker wären im Grunde ein ideales Paar, wäre er nicht als Direktor des Hollands Museum verantwortlich für das einzigartige Gemälde des amerikanischen Maler-Stars Mark Rothko, und wäre sie nicht eine präpotente Konzeptkünstlerin mit starker Oberlehrer-Haltung, die eben diesen Rothko geschickt entwendet und für eine Art von europaweitem Happening missbraucht, das Konzept-Kunst sein soll und das natürlich „die Kunst demokratisieren“ und „Kunst allen zugänglich machen“ soll – dies sind die Sprüche, die seit Jahrzehnten die Museumsarbeit begleiten, anhand derer Subventionen ergattert werden und zu Ankäufen animiert wird, und über die sich vielerorts die Bürgerschaft aufregt. Nicht nur der Autor kennt diesen spezifischen Jargon, auch sein Übersetzer kennt ihn, auf Deutsch, und trifft nicht zuletzt darum genau den richtigen Ton.

Joost Zwagerman spielt in seinem Buch mit all die Konzepten und Ansätzen, mit denen Intellektuelle das Terrain der Kunst besetzen. Sein Held Jelmer Verhooff, „Sonntagskind und Teufelskerl, Schlüsselfigur des Kunstbetriebs, Botschafter der neuen niederländischen Kunst, unermüdlicher Organisator und vor allem jemand, der die Kunst des Bewunderns tadellos beherrschte, ohne jemals in Schwärmerei oder Populismus zu verfallen“ – Jelmer hat alles drauf, was zeitgemäße Kunst zu bieten hat. Nicht das Ende der Kunst wird mehr verkündet, sondern die Veränderung ihrer Definition, wenn alles Kunst sein kann, muss der Künstler dank dieser Idee auch gar nicht mehr im Atelier sitzen. Er muss sich nur etwas ausdenken. So wie Emma Duiker, die handwerklich perfekt arbeitet, allerdings Kopien herstellt und die einzelnen Stufen der Entstehung eines Werks dokumentiert, „offenlegt“ – nicht irgendeines Werks, nein: Was sie auf ihre besondere Art freigelegt hat, sind die Entstehungsprozesse von Arbeiten Sigmar Polkes, Gerhard Richters und anderer weltberühmter Maler.

Wenn Konzept-Kunst an sich zuweilen etwas hat von Blenden und Übertölpeln, dann ist Emma Duikers Aktion, das besagte Rothko-Bild mitzunehmen und eine ihrer Kopien dem Museum zu lassen, ein ganz besonders raffinierter Hütchenspielertrick. Erst nach einiger Zeit kommt ihr der Restaurator des Museums auf die Schliche. Da hängt das Bild längst, gewissermaßen inkognito, in einer slowenischen Schule für lernbehinderte Kinder, die das gute Stück jeder mal anfassen dürfen, und wenn Abdrücke von Schokoladenfingern draufkommen, dann macht das der Hausmeister wieder weg. Der Museumsdirektor und sein Konservator bekommen einen Schock. Hier wird die Geschichte ein Abenteuer mit Raub und Erpressung, gehackten Mail-Accounts und gedungenen Halunken und schließlich der Zerstörung des teuren Gemäldes. Das ist spannend erzählt. Und wie Zwagerman die einzelnen Situationen und Kontrahenten beschreibt, ist hochkomisch, sei es die slowenische Sprache, die den beiden Holländern wie grobe Brocken gutturaler Laute vor die Füße fällt, oder die Art, wie junge ehrgeizige Teilnehmer am Kunstbetrieb sich selbst stylen, oder die Trickserei, mit der die ganze Affäre unterm Teppich gehalten wird. Eine Gesellschaftsgroteske aus dem Leben der Kunst, unwahrscheinlich wahr und erschütternd komisch.

ISBN: 978-3-938803-81-3

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