, Umberto Eco Nullnummer Roman
Hanser

Dieser Roman ist eine charmante Journalisten- und Pressepersiflage: Ein Unternehmer mit den besten Beziehungen zu Politik und Haute Volée will scheinbar eine Zeitung gründen – „scheinbar“ deshalb, weil er mit der Möglichkeit drohen können will, tatsächlich solch ein Blatt zu gründen, in dem die geheimsten, potentiellsten und entlarvendsten News und Enthüllungen stehen würden. Damit will er seine gesellschaftliche Position aufbessern. Es soll aber immer bei der Nullnummer bleiben, die Gefahr, die von ihm ausgeht, soll latent bleiben, eine Drohkulisse. Er hat eine Reihe Journalisten engagiert und er bezahlt sie sogar ordentlich. Parallel dazu hat er den routinierten Journalisten Colonna, den Ich-Erzähler, verpflichtet, über die ganze Angelegenheit einen Roman zu schreiben.

Die anderen Redaktionsmitglieder sind Männer bis auf Maia, mit der unser Erzähler auch bald ein Liebesverhältnis anknüpft. Das hält bis zum Ende, es ist also von der Story her gewissermaßen eine Liebesgeschichte mit gutem Ausgang. Was aber den Reiz von Ecos Buch ausmacht, sind die diversen Journalistencharaktere, z.B. der Verschwörungstheoretiker, der herausgefunden haben will, dass Mussolini 1948 gar nicht erschossen worden sei, vielmehr an dessen Stelle ein anderer, und dass es im Dezember 1970 in Italien beinahe zu einem Staatsstreich alter Faschisten gekommen wäre ("Putsch der Förster"), wäre nicht der Tod des dann schon hochbetagten Duce eingetreten. Diese Episode gerät beim Italiener Eco natürlich sehr ausführlich. Andere Aspekte des journalistischen Alltags sind übernational und so alt wie das Metier: die ewigen Falschschreibungen, die von mangelnder Bildung zeugen, die falschen Horoskope und Todesanzeigen und die fingierten Gegendarstellungen, die sich auf erfundene Ereignisse beziehen. Ebenso der opportunistische und feige Chefredakteur, der sich ständig hinter einer völlig unrealistischen Leserschaft und deren überholtem Geschmack verschanzt, um beim Herausgeber, der ja schließlich bezahlt, nicht anzuecken. Der Herausgeber wird im Auftragsroman natürlich ein souveräner und unbeirrbarer Lenker des geplanten Blattes sein. Die Kollegin spielt die Rolle dessen, der den Betrieb aufhält: Sie greift längst abgehakte Themen wieder auf, was die anderen regelmäßig irritiert.

Uns wird eine Art Sport vorgeführt, zu dessen Leistungen es gehört, "den Lesern Meinungen unterzujubeln, ohne dass sie es merken". Andere Leistungsfächer: immer die passende Phrase zu dreschen (da entfacht Eco ein regelrechtes Feuerwerk "stehender Redewendungen", die ihm wohl im Lauf seines Schriftstellerlebens als lästig aufgefallen sind), echte Sottisen zu erfinden à la "Warum ist Christoph Columbus nach Westen gesegelt? Weil, wenn er nach Osten gesegelt wäre, er womöglich bloß Frosinone entdeckt hätte."
Eco macht sich lustig über den Journalismus, über die Presse und ihre verbreitete Unart, gar kein Interesse zu haben an den Menschen, um die es scheinbar geht. Eco überzieht das, was ihn am italienischen Alltag stört, mit melancholischem Spott und schafft es wie nebenbei, uns eine charmante Liebes- und Kriminalgeschichte (der Verschwörungstheoretiker mit der Geschichte von Mussolinis Überleben wird umgebracht - ein Komplott!) zu erzählen

ISBN 978-3-446-24939-4

http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/nullnummer/978-3-446-24939-4/