Husch JostenDas Glück von Frau Pfeifferbup
Eine junge Frau in London, Lee, ist erschüttert von der Nachricht,
verschiedene Energieunternehmen hätten sich zum Nutzen ihres Geschäfts
daran gemacht, uralte Felsbilder australischer Eingeborener zu
zerstören, und will nun ihrerseits eine Art archäologischer Feldarbeit
leisten, indem sie mitschreibt, was andere Personen neben ihr im Café in
ihre Mobil-Telefone sprechen. So kann sie dokumentieren, was Londoner
Menschen in dieser Zeit einander mitteilen. Wenn das schon ein etwas
unwahrscheinliches Weltverbesserer-Projekt ist, dann ist das die
Geschichte, die sich daraus ergibt, erst recht: Als nämlich eine ältere
Passantin eines Tages einen rätselhaften Ausruf ins Mobiltelephon tut
und Lee den Eindruck gewinnt, jetzt dringend eingreifen zu müssen, um
eine wehrlose alte Dame vor dem Verdursten zu bewahren, mobilisiert sie
ihren treuen Jugend-Freund Bruno Hornyak und macht sich auf die Suche
nach der eigentümlichen alten Frau Fizer, oder so ähnlich, genau
verstanden hatte sie den Namen nicht.
Lee und Bruno sind zwei sonderliche Personen. Sie ist ein Wohlstandskind
des ausgehenden 20. Jahrhunderts, wo Ideologien im postmodernen Diskurs
der Belanglosigkeit untergegangen und Weltanschauungen in Vergessenheit
geraten sind. Sie will sich dagegen behaupten und errichtet ihre
Prinzipien. Als eine Folge ihrer Prinzipien kommt es zur Trennung von
Herold, ihrem Mann. Noch ausgeprägter ist diese Sonderlichkeit bei
Bruno, der nicht nur unfähig ist für stabile Beziehungen, er weiß nicht
genau, ob er lieber Männer oder Frauen mag.
Sollten die beiden in dem Roman von vorherein so sonderlich sein?
Das komplette Interview William BoydEine große Zeitaus dem Englischen von Patricia Klobusiczky
Berlin Verlag
Von William Boyd gibt es auf Deutsch schon längst eine ganze Reihe von
hinreißenden und spannenden Romanen wie „Armadillo“ und „Einfache
Gewitter“. Nun ist die deutsche Fassung eines weiteren Romans
erschienen, der, ähnlich dem nach wie vor großartigen Roman „Ruhelos“,
halb historisch ist, nämlich in einer Zeit spielt, die der unseren noch
einigermaßen nah ist: 1912 in Wien. Dort fängt es an mit einem auf einer
Parkbank liegengelassenen Hut und der Gewissheit, dass er schnell einen
neuen Besitzer haben wird: Das ist das Erste, was wir von Lysander Rief
erfahren, der sich hier aufhält, um sich eine sexuelle Störung
psychologisch therapieren zu lassen. Lysander ist englischer
Schauspieler, und man möchte meinen, er habe seinen Namen aus
Shakespeares Mittsommernachtstraum. William Boyd hat aber an jemanden
ganz anderes gedacht: an den Spartaner-General gleichen Namens, der zwei
erfolgreiche Seeschlachten gegen die Athener schlug und dort die
Demokratie abschaffen wollte. Boyd sagt, er liebe solche Namen, die eine
gewisse eigene Spannung entfalten, „names that have a little spin, that
are not dull but that intrigue by themselves“. Und Wien habe er als
Schauplatz für seinen Roman ausgesucht, weil die europäische Moderne des
20. Jahrhunderts dort ihren Anfang genommen habe. Europas Zukunft habe
sich damals in Wien versammelt, Trotzki war da, Adolf Hitler war da, und
1913 für sechs Wochen Josef Stalin. Und dann praktizierte dort Sigmund
Freud als Psychoanalytiker. So sei Wien nicht nur eine außerordentliche
Stadt, sondern auch noch ein außerordentlicher Nährboden für Gedanken
gewesen.
In der Praxis von Dr. Bensimon trifft Lysander auf Hetty Bull, eine
faszinierende temperamentvolle Künstlerin, mit der er ein Verhältnis
beginnt. Sie kuriert ihn bald von seiner sexuellen Störung, zugleich sie
ist liiert ist mit einem Bildhauer, der in der oberen Gesellschaft
verkehrt, und dem Lysander nicht so gerne in die Finger geraten will,
weil er angeblich zu Jähzorn neigt. Als sie schwanger wird, übt Hetty
einen Verrat an Lysander: Er habe ihr Gewalt angetan. Mit dieser
Anschuldigung bringt sie ihn sogar ins Gefängnis. Dass er wieder
herauskommt, verdankt Lysander zwei zunächst etwas undurchschaubaren
Briten, die sich in Wien aufhalten.
Ist der Verrat, den Hetty an Lysander begeht, denn auch ein Teil
dieser Modernität unserer Gesellschaft im 20. Jahrhundert?
Das komplette Interview William BoydNach Hause fliegenaus dem Englischen von Matthias Fienbork
Edition 5plus
In einer besonderen Ausgabe ist zugleich William Boyds „Nach Hause
fliegen“ erschienen, in dem er von seiner Kindheit und Jugend erzählt,
von Ameisenlöwen unter dem Elternhaus in Ghana und seinen Beobachtungen
im schottischen Internat, und schließlich von London, wo er in Chelsea
lebt.
http://5plus.org/index.php/aktuell-2/26-william-boyd-nach-hause-fliegen.html
Das komplette Interview Christopher KloebleMeistens alles sehr schnelldtv
Am Anfang dieses Romans steht eine Beobachtung des Autors: Ihm war als
Schüler ein einzelner, irgendwie immer gut aufgelegter Mann aufgefallen,
der ewig an der Haltestelle des Überlandbusses in Königsdorf stand.
Daraus hat der heutige Schriftsteller Christopher Kloeble die 2.
Hauptfigur seines neuen Romans gemacht: Fred, ein Kind gebliebener Mann,
der einen Sohn hat, Albert, der der Held des Romans ist. Albert, der im
Waisenhaus aufgewachsen ist, muss mit seinem Vater umgehen, als wäre der
das Kind.
Albert begriff, wie wenig sein Vater begriff – normalerweise sind
wir gewohnt, an unseren Eltern eine Art Sicherheit zu haben, einen
Halt. Wenn Albert nun zu dieser Erkenntnis kommt, tut sich da für
ihn ein Abgrund auf?
Das komplette Interview Petur Gunnarssonich meiner mir michaus dem Isländischen von Benedikt Grabinski,
Weidle Verlag
Wer redet hierzulande schon von Island, außer wenn ein dortiger Vulkan
den europäischen Luftverkehr lahmlegt oder wenn die Isländer zeigen, wie
man mit Finanzkrisen fertigwerden könnte? Weil Island 2011 das Thema der
Buchmesse war, sind jetzt ein paar isländische Romane mehr als normal in
den deutschen Sprachbereich gelangt, einige mit großem Erfolg, und
dazwischen auch ein paar stillere, feine Romane, die uns Lesern Freude
machen. Zum Beispiel die Erzählung einer Jugend in vier Bänden, von
denen bisher zwei Bände übersetzt sind, die in Island schon vor vielen
Jahren verlegt wurde. Der Autor ist Pétur Gunnarsson, Jahrgang 1947, und
von dem, was er geschrieben hat, ist der zweite Band, „Ich meiner mir
mich“, gewissermaßen frisch geblieben. Der Autor Gunnarsson gibt sich
ganz bescheiden, er sei doch etwas überrascht, dass nun auch auf Deutsch
zu haben ist, was er von seiner isländischen Jugend in den 60er Jahren
erzählt. Er habe über seine eigene Generation schreiben wollen, und
seitdem sind 35 Jahre vergangen. Obwohl dieser Roman eines Jugendlichen
bereits 1978 im Original erschienen ist, hat er nichts eingebüßt von
seiner Unmittelbarkeit.
Liegt das daran, dass vieles an dem Buch autobiographisch, also aus
dem eigenen Leben erzählt ist?
Das komplette Interview