Das könnte in seiner Emotionalität, in seiner Betroffenheit und in seinem Ausgeliefertsein auch kitschig oder schmalzig geraten. Aber das ist ihm nicht passiert. Thomas Harlan, Jahrgang 1929, verließ Deutschland 1949, weil es ihm unerträglich wurde, fast überall in Deutschland als „der Sohn“ geehrt zu werden. Später unternahm er in Polen eigene Recherchen zur Vernichtung der Juden, was ihm in Deutschland vor allem Ablehnung und 1964 eine Anzeige wegen Landesverrats einbrachte. Er war in Sachen Vergangenheitsbewältigung ein Vorläufer, und wenn der Begriff von der „verfolgenden Unschuld“ im guten Sinn auf jemanden passt, dann wohl auf ihn. 2010 ist er verstorben. Was er in diesem Buch leistet, ist wiederum Erinnerungsarbeit, subjektiv und darum besonders glaubwürdig, emotional und sogar in den Anrufungen des Vaters nicht peinlich, sondern anrührend und eindrucksvoll. Zugleich ist es die Geschichte einer besonderen Zeit. Die Jugend war ihm durch den Krieg genommen worden, so holte er, zum Teil gemeinsam mit Klaus Kinski, nach, was er – vielleicht – versäumt hatte.
Überdies ist es ein kurzer Text. Von den 150 Seiten ist ein Drittel Anhang, Präzisionen, Belegstellen für emotionale Formulierungen und für solche Aussagen, die uns historisch nicht so eingearbeiteten Lesern zunächst fremd vorkommen oder die wie schlichte Behauptungen klingen. Indem es diese Nachweise liefert, wird dies Buch um so intensiver.
ISBN 978-3-498-03012-4
http://www.rowohlt.de/magazin_artikel/Thomas_Harlan_Veit.2932365.html