, Edvard Hoem Die Geschichte von Mutter und Vater Aus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen
Suhrkamp taschenbuch

„Ich hatte Vater nicht lieb, als ich mit ihm zusammenkam, aber ich habe ihn liebgewonnen, weil er beständig war, beständig und treu, und das ist genauso wichtig wie Liebe.“ Dieser Satz ist Ausgangspunkt eines der schönsten Taschenbücher des Frühjahrs.

Es ist ein immer wieder anrührendes, nur selten melodramatisches und überaus spannendes Buch, in dem Edvard Hoem die Geschichte erzählt, wie sein Vater, ein Wanderprediger in Norwegens Tälern, der den Hof seiner Eltern nicht erben wollte, irgendwann auf seine zukünftige Frau stieß, die sich mit einem deutschen Besatzungssoldaten eingelassen hatte und mit einer Tochter sitzen gelassen worden war. Hier wird uns eine Welt vorgeführt, die uns weitgehend unbekannt ist: Die tiefe Gläubigkeit des jungen Mannes ist verwandt mit dem, was uns Per Olov Enquist aus Schweden erzählt, aber die Verbindung mit der tiefsten Provinzialität, dazu die junge Frau, die von einem anderen Leben träumt, als jeden Sommer auf die Alm zu ziehen, der Prediger, der mit dem Fahrrad durch Norwegens Täler fährt und von den Gläubigen erwartet wird, die außer ihm kaum Kontakt haben zur weiteren Welt, und der sich seine Frau gegen alle möglichen Widerstände und Vorurteile erkämpfen und ertrotzen muss – das ist heute beinah exotisch, vergessen, und doch gar nicht lange her und auch nicht weit weg.

Hoem hat aber nicht nur einfach schön erzählt. Er ist in die Archive gegangen, er hat z. B. recherchiert, was die Zeitungen berichtet haben, nachdem sein Vater einen ungewöhnlichen Unfall mit einer ebenso ungewöhnlichen Heilung erlebte, oder was aus dem deutschen Soldaten geworden ist, oder wo der wenigstens hergekommen war, er schöpft aus Briefen und Kalendernotizen. Nie überlässt er uns der Illusion eines Romans, obwohl dies nichts anderes ist als eine weit angelegte Liebesgeschichte – immer wieder ruft er in Erinnerung, dass er es ist, der da erzählt, dass er nicht alles wissen kann, dass er mutmaßen und „heraufbeschwören“ muss, um die Geschichte seiner Eltern zu erzählen.

Was daraus geworden ist, außer dem hinreißenden Buch, ist ein Paradebeispiel, wie ein eigentlich belangloses Leben von Menschen, an die niemals irgendwann irgend jemand gedacht hat außer den nächsten Verwandten – wie so etwas in der Bearbeitung eines Schriftstellers zu einem großen Buch werden kann. Nicht die Fiktion, die Tatsachen sind es, die hier das Faszinierende, das Besondere, die Anrührung schaffen.

ISBN 3-518-46045-5
http://www.suhrkamp.de/autoren/edvard_hoem_6070.html