Interviews

, Moritz RinkeDer Mann, der durch das Jahrhundert fielKiepenheuer & Witsch

Moritz Rinke hat viel Personal aufzubieten für seinen Roman vom „Mann, der durch das Jahrhundert fiel“: Im Mittelpunkt der glücklose Berliner Galerist Paul Kück, dessen Mutter als gealterte Hippie-Aussteigerin auf Lanzarote lebt und ihrem Sohn regelmäßig Salat von der Insel schickt, weil sie den für besser hält als das, was in Berlin verkauft wird. Wenn der Salat bei Paul eintrifft, ist er allerdings nicht mehr so gut. Die Mutter ist Tochter eines einstens großen Bildhauers, dessen Ruhm mit den 1950er Jahren ausgeklungen ist. Er wirkte in der Künstlerkolonie Worpswede, und dort steht das Haus der Kücks am Rand des Teufelsmoors. Dies Haus ist seit Neuestem in Gefahr, in den moorigen Untergrund zu versinken. Paul wird beordert, das Erbe zu retten, eigentlich: den letzten festen Vermögenswert der Familie vor dem sprichwörtlichen Untergang zu bewahren, zumal der in Worpswede herrschende rege Kunst-Unterrichts- und Künstler-Gedenk-Betrieb die Lage der Immobilie aufwertet. Im Schatten der berühmten Paula Modersohn-Becker und Heinrich Vogeler haben sich mit der Zeit einige halbe Künstlergrößen eingerichtet, und die schwarzen Schafe der NS-Zeit macht man gerne vergessen, zum Beispiel Fritz Mackensen. Mit Pauls Ankunft im Haus der Großeltern beginnt eine verwickelte, handlungsreiche, zum Teil trocken komische Geschichte, die sowohl die finsteren Geheimnisse von Pauls Familie, zum Teil die norddeutsche Künstlerszene in Szene setzt.

Was ist dieser Roman denn mehr, ein Künstler- und Kunstbetriebsroman oder ein Familienroman?

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, Amélie NothombDer japanische VerlobteAus dem Französischen von Brigitte Große
Diogenes-Verlag

Die sehr erfolgreiche belgische Schriftstellerin Amélie Nothomb kam als Diplomatenkind in Japan zur Welt und musste mit fünf Jahren weiterziehen in andere ferne Länder: Bangladesch, China, Laos, Burma, New York. Doch das Land ihrer Geburt blieb der Fixpunkt ihrer Jugend und ihr Ziel fürs Leben als Erwachsene. Das hat sie in ihren Büchern gelegentlich thematisiert, auch wenn sie sich von dem Gedanken klängst verabschiedet hat: „Das war ein Privatmythos, ich war überzeugt, Japanerin zu sein und die ganzen Jahre habe ich in allen Ländern, wo wir lebten, gesagt, ich sei Japanerin, und sah die Verblüffung auf den Gesichtern der anderen. Mir war das aber egal“, sagt sie heute. Und: Was sie da geschrieben habe, das handle von ihr selbst. Als junge Frau heuerte sie als fremdsprachige Fachkraft in einem der großen, stark hierarchisch geformten japanischen Konzerne an. Dort erfuhr sie die Schattenseiten ihres Lieblingslands am eigenen Leib. Wie es war, schilderte sie in dem früheren Roman „Mit Staunen und Zittern“. Jetzt erzählt sie noch einmal von dieser Zeit, und zwar vollkommen anders: Wie sie einen Japaner kennengelernt hat und sich in ihn verliebt habe, mehr, weil er Japaner war als aus einem anderen Grund.

Haben Sie sich denn auf Anhieb in Rinri, den „japanischen Verlobten“ verliebt?

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Was sich sonst zu lesen lohnt

, John GlasscoDie verrückten Jahre. Abenteuer eines jungen Mannes in ParisCarl Hanser Verlag

Einen vergnüglicheren Zeugenbericht über die Szene der ausgehenden 1920er Jahre in Paris kann man sich kaum denken. Ein 18-jähriger kanadischer Reißaus, groß gewachsen, hübsch, charmant und beseelt vom Ehrgeiz, Schriftsteller zu werden, lässt sich in Paris nieder, versorgt durch einen regelmäßigen Scheck seines Vaters, der damit erkaufen will, dass der Sohn nicht allzu auffällig wird.

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, Roberto ZapperiAbschied von Mona Lisa. Das berühmteste Gemälde der Welt wird enträtseltAus dem Italienischen von Ingeborg Walter
C H Beck

Schon beim Titel kann man sich denken, dass es schon bald nach Erscheinen des Buchs Einsprüche gehagelt hat. Tatsächlich haben einige namhafte Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler umfangreiche Gegenbeweise geführt, und auch bei Zapperi gibt es eine Stelle, an der er eine Spur zu hurtig von der Argumentation zur Schlussfolgerung übergeht. Aber nimmt uns das das Interesse an diesem Bild? An seinem Maler? An der Renaissance? Im Gegenteil, Roberto Zapperi liefert ein Paradebeispiel für einen guten Essay. (Und die Gegenartikel in den Feuilletons waren übrigens genauso bereichernd für jeden, der Interesse hat an der Geschichte.)

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, William S. Burroughs / Jack KerouacUnd die Nilpferde kochten in ihren BeckenAus dem Englischen von Michael Kellner
Verlag Nagel & Kimche

Ein Kriminalfall im Homosexuellen-Milieu, vielleicht der acte gratuit eines Söhnchens aus den höheren Schichten, sicherlich ein irritierender Zwischenfall im noch unbedeutenden Leben dreier werdender Schriftsteller, die sich wenige Jahre später anschicken würden, die westliche Kultur von Nachkrieg und Prosperität gründlich zu erschüttern.
Heute wissen wir, dass Jack Kerouac mit Unterwegs, William S. Burroughs mit Naked Lunch und Allen Ginsberg mit Howl ganze Generationen beeinflusst haben. Dass aber Burroughs und Kerouac zusammen ein Buch geschrieben haben, das scheinbar ein „hartboiled“ Krimi sein möchte, das aber vor allem eine Chronik von Ereignissen ist, die harmlose Leute erschüttern, einen hartgesottenen Zyniker wie Burroughs aber allenfalls amüsieren konnten – das wissen wir jetzt erst.

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, Juan Gabriel VásquezDie InformantenAus dem Spanischen von Susanne Lange
Verlag Schöffling & Co

„Voller Stolz schenkt der junge kolumbianische Journalist Gabriel Santoro seinem Vater, einem bekannten Rhetorikprofessor, sein erstes Buch. Er kann nicht ahnen, dass sein Vater diese Chronik einer befreundeten deutsch-jüdischen Familie mit einem Verriss in der größten Zeitung des Landes zunichtemachen wird. Mehr noch, dass er mit der Veröffentlichung seines Buches auf ein dunkles Geheimnis gestoßen ist“, schreibt Mario Vargas Llosa über diesen Roman.
Wer Kolumbien liebt, wer die Stadt Bogotá um ihrer selbst willen liebt, wer lateinamerikanische Sensibilität, die unsereinem hierzulande vielleicht als Sentimentalität erscheint, zu schätzen weiß, der wird dies Buch von der ersten Seite an mögen. Für die anderen wird es ab ca. Seite 70 spannend. Denn da kommt der Erzähler dieser Geschichte zu seiner Sache, einer bitteren Erkenntnis, nämlich dass sein Vater, der sogar einige wichtige nationale Diskurse für den Staatspräsidenten verfasst hat, dass also dieser zu den Honoratioren zählende Herr ein mieser Verräter gewesen ist, der eine Familie zerstört und einen Menschen zur Selbstaufgabe bis zum Selbstmord getrieben hat.

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