Interviews

, Ilija TrojanowMacht und WiderstandRoman
S. Fischer Verlag

Was soll einer tun, der von der Obrigkeit ungerecht behandelt wurde, weil er seinen eigenen Kopf hatte und nicht zu allem ja und amen sagte? Wie kann sich einer gegen die Macht des Staates wehren? Ilija Trojanow, dessen Eltern mit ihm als kleinem Jungen aus Bulgarien geflüchtet sind und in Deutschland politisches Asyl erhielten, hat das Schicksal eines Mannes nachverfolgt, dem seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zum Verhängnis wurden, den die Schergen des Diktators am liebsten tot gesehen hätten, der aber sogar seinen ärgsten Quälgeist überlebt hat. Bei Trojanow ist daraus die Geschichte eines heldenhaften Menschen und seines lebenslangen Widersachers geworden. Für seinen Roman hat sich Trojanow in seine beiden Helden, den Unterdrückten und den Verfolger, hineinversetzt. Er erzählt von selbstgefälliger Machtausübung und Uneinsichtigkeit auf der einen und von erlittener Folter und den Spätfolgen der seelischen Zerrüttung auf der anderen Seite, ohne uns zu einer Haltung zu drängen.
Daraus hätte der Autor natürlich auch einen klassischen Roman mit Spannungsbogen, dramaturgisch effizienten Ereignissen und einem schönen oder offenen Ende schreiben können. Das hat er unterlassen.

Warum haben Sie nicht einen konventionellen Roman gemacht, sondern sich für die Lösung mit einer Parallelmontage entschieden?

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, Mercedes LauensteinnachtsAufbau Verlag

Eine junge Frau – dass sie jung ist, kriegen wir mit der Zeit heraus, dass es eine Frau ist, auch erst nach und nach – klingelt spätnachts bei Leuten, in deren Zimmer sie noch Licht sieht. Sie präsentiert sich als Soziologin auf Recherche, die besondere Verhaltensweisen statistisch untersucht, in diesem Fall die Schlaflosigkeit oder nächtliches Wachsein.
Das erinnert ein bißchen an Jean Rouchs Dokumentar-Film „Chronik eines Sommers“ (1960), aber hier liegt hinter der angegebenen Absicht eine zweite Absicht. So wird es denn kein wissenschaftliches Gespräch, sondern eine zwanglose und irgendwie unbeschwerte Plauderei, in deren Verlauf beide Seiten einiges von sich selber erzählen – allerdings ganz asymmetrisch: Die Besuchten sind bereit, sich zu öffnen, Dinge über sich preiszugeben, die andere Leute eigentlich gar nichts angehen. Die junge Mutter, die nachts endlich Ruhe findet, der ehemalige Bäcker, der nach Mitternacht kaum noch Schlaf findet, der Koch, der ein neues Leben beginnt und jetzt gerade vor seinen Umzugskisten sitzt und sinniert, wie es bisher gelaufen ist. Die Erzählerin gibt ihren Gastgebern kaum etwas preis, aber sie öffnet sich uns – ihre Einschätzungen, ihre Haltung zeigen uns, was sie beschäftigt. Mercedes Lauensteins Erzählerin hat einen leichten, immer etwas belustigten Ton, in dem sie auch sich selbst darstellt. Niemals sicher oder selbstbewusst, immer mit der Idee, sie könnte da gerade etwas tun, das nicht ganz in Ordnung ist. Dieser Reiz von halb korrekt und halb indiskret bestimmt die Farbe des Erzähltons: leicht, charmant, mit Humor und etwas Weisheit.

Als echte Feldforschung hätte das für uns Leser eine trockene Studie werden können – ist es aber nicht, zum Glück. Es ist ein reiche Sammlung unterschiedlichster Charaktere dabei herausgekommen, und offenbar ist das gar nicht alles authentisch, sondern Literatur.

Haben Sie da mit einem Tonaufnahmegerät gearbeitet?

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, Andrei MihailescuGuter Mann im MittelfeldRoman
Verlag Nagel & Kimche

Im Staub unter der Mittagshitze erstreckt sich die Straße endlos in beide Richtungen. Der Held, abgerissen, erschöpft, geschlagen, legt sich in einen schmalen Schatten, wo schon ein Straßenköter liegt. So stellt man sich vielleicht den Auftakt zu einem Western vor, es ist aber eine Szene in einem rumänischen Industriegebiet zu Zeiten des Diktators Ceaușescu. Der erschöpfte Held wird misstrauisch von den Wartenden an einer Bushaltestelle gemustert, er ist soeben von den Schlägern des Geheimdiensts ausgesetzt worden. Bisher war er ein angesehener Journalist. Was er falsch gemacht hat: Er hatte in einem Artikel die schöne Wolljacke eines Interviewpartners erwähnt. Das wurde ihm vom Redaktionsspitzel ausgelegt als Hinweis auf eine defekte Heizung. So ist Stefan Irimescu in die Mühlen der Securitate geraten, der Geheimpolizei in Ceaușescus Reich. Als er etwas später, noch immer halb benommen von der Folter, an eine Gruppe Bauarbeiter gerät, die Baumaterialien gestohlen haben und nun den Verdacht ablenken wollen, schnappen die ihn sich und prügeln ihn krankenhausreif. Aber er hat Glück: Raluca, die Architektin an der betreffenden Baustelle, zugleich die Frau eines hohen Parteibonzen, bringt Stefan in ein Krankenhaus.
Andrei Mihailescu lebt heute in Zürich. Er engagierte sich in Menschenrechtsgruppen, um etwas zu tun für die Opfer und Ausgelieferten des diktatorischen Regimes, das dort auch nach Ceaușescu noch herrschte.

Sie sind als 16-Jähriger mit Ihrem Vater aus Rumänien ausgewandert – was von dem, was Sie in Ihrem Roman erzählen, haben Sie selbst beobachtet?

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Was sich sonst zu lesen lohnt

, Umberto EcoNullnummerRoman
Hanser

Dieser Roman ist eine charmante Journalisten- und Pressepersiflage: Ein Unternehmer mit den besten Beziehungen zu Politik und Haute Volée will scheinbar eine Zeitung gründen – „scheinbar“ deshalb, weil er mit der Möglichkeit drohen können will, tatsächlich solch ein Blatt zu gründen, in dem die geheimsten, potentiellsten und entlarvendsten News und Enthüllungen stehen würden. Damit will er seine gesellschaftliche Position aufbessern. Es soll aber immer bei der Nullnummer bleiben, die Gefahr, die von ihm ausgeht, soll latent bleiben, eine Drohkulisse. Er hat eine Reihe Journalisten engagiert und er bezahlt sie sogar ordentlich. Parallel dazu hat er den routinierten Journalisten Colonna, den Ich-Erzähler, verpflichtet, über die ganze Angelegenheit einen Roman zu schreiben.

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