
Weidle-Verlag
Vielmehr lässt er sich von jedem Vorfall, jeder interessanten Einzelbeobachtung dazu verleiten, über allerlei andere Dinge zu schreiben. Ein Feuilleton, wie man es selten zu lesen bekommt. Und gleich skandalumwoben. Denn diese Reise, 1905 von Frankreich über Belgien und Holland nach Deutschland unternommen, führte ihn ins „Land des Feindes“, aber er beschreibt die Deutschen, angefangen mit der unerwartet freundlichen Zollkontrolle, überwiegend sympathisch, macht sich höchstens lustig über den deutschen Kaiser (Majestätsbeleidigung! Der deutsche Verleger bat um Vertragsauflösung, weswegen das Buch in Deutschland nicht erscheinen konnte). Über Frankreich schreibt Mirbeau wie Thomas Bernhard über Österreich, über Belgien macht er sich lustig wie so viele Franzosen, aber am skandalösesten ist das, was er über Balzacs Tod zu berichten weiß. Mirbeau hat noch Personen gekannt, die ihrerseits Balzac erlebt hatten, Zeugen von Balzacs Lebensumständen, in diesem Fall einen Maler, der – nach eigener Aussage, die Mirbeau hier bloß wiedergibt – mit Balzacs Frau im Bett lag, während dieser im Nachbarzimmer qualvoll verstarb. Dies Kapitel musste der Autor zunächst herausnehmen, und wer es heute liest, versteht, warum. Jetzt ist das Buch erstmalig auf deutsch erschienen, versehen mit klärenden Anmerkungen und einem sehr aufschlussreichen Nachwort des Übersetzers. Ein Fundstück, über das wir uns freuen können.
978-3-938803-04-2