Michael Krüger Gedichte Unter freiem Himmel, 2007 Kurz vor dem Gewitter, 2003 Wettervorhersage, 1998

Neben seiner Verleger-Tätigkeit hat Michael Krüger über die Jahre eine ansehnliche Menge von Romanen, Gedichten, Essays und Übersetzungen veröffentlicht. Die Essays handeln überwiegend von Themen des Kulturbetriebs, die Romane spiegeln meistens das Leben europäischer Intellektueller – immer mit einem warmherzig ironischen Unterton, immer mit einer sympathisierenden Distanznahme gegenüber künstlerischen und schöpferischen Roman-Figuren, deren Tragikomik oft darin besteht, dass ihre Werke und Ansprüche konterkariert werden von den einfachen Dingen aus Umwelt und Alltag.

Michael Krüger liest das Gedicht "Die Schlüssel" aus "Wettervorhersage"

Bei Michael Krügers Gedichten finden sich ebenfalls Bezugnahmen zum Kulturbetrieb, und sei es durch explizite Widmungen. Daneben aber schreibt er Gedichte, deren Poesie, deren einfache Schönheit uns viel mehr geben als die Aperçus aus der Welt der Kulturschaffenden. Seien es die Vögel am Himmel oder die unnütz gewordenen Schlüssel, ein eigenartiges Insekt oder ein mindestens genauso eigenartiger Mitreisender – wir werden eingeladen zu schauen, ein bisschen Kontemplation zu betreiben, um uns dann wieder vom Alltag weiter treiben zu lassen. Die Beobachtung von Naturphänomenen verdeutlicht uns, dass der Mensch eben doch nicht alles in die Hand nehmen kann. Ist die Ahnung des Gewitters nur eine Wahrnehmung, legt der Dichter auch noch eine Bedeutung hinein, oder ist es bloß die toile de fond für ein Naturbild?

Welche Bedeutung hat denn das Wetter für Michael Krügers Gedichte?

Der Franzose Francis Ponge hat schon vor Langem den „Parti pris des choses“, die Auffassung der Dinge, in Poemen verewigt, die auch dem unscheinbarsten Gegenstand eine eigene Aura verleihen und dem kleinsten Ding noch ein großes Geheimnis zuordnen. Bei Michael Krüger gibt es Kiesel, die „das Epos der Straße“ kennen, Schlüssel, die von Türen träumen. Ist das ein Animismus oder Fetischismus, wie ihn Anthropologen kennen, oder ein althergebrachter Pantheismus, der in den Sachen eine Seele und damit einen Funken Göttlichkeit sieht?

Krüger treibt es sogar noch weiter: In manchen der Gedichte führen die mündlich überlieferten Geschichten ein unerklärt materielles Leben, da ist ein Fliegenfänger mit tausend toten Geschichten, oder zwei Küchenstühle, die zuhören – das klingt wie eine Auffassung aus jenem Reich, wo geglaubt wird, dass der Fotograf mit dem Bild auch die Seele des Fotografierten mit sich nähme.

Was hat es auf sich mit dieser Materialität des Erzählten?