Bei Michael Krügers Gedichten finden sich ebenfalls Bezugnahmen zum
Kulturbetrieb, und sei es durch explizite Widmungen. Daneben aber schreibt
er Gedichte, deren Poesie, deren einfache Schönheit uns viel mehr geben als
die Aperçus aus der Welt der Kulturschaffenden. Seien es die Vögel am Himmel
oder die unnütz gewordenen Schlüssel, ein eigenartiges Insekt oder ein
mindestens genauso eigenartiger Mitreisender – wir werden eingeladen zu
schauen, ein bisschen Kontemplation zu betreiben, um uns dann wieder vom
Alltag weiter treiben zu lassen. Die Beobachtung von Naturphänomenen
verdeutlicht uns, dass der Mensch eben doch nicht alles in die Hand nehmen
kann. Ist die Ahnung des Gewitters nur eine Wahrnehmung, legt der Dichter
auch noch eine Bedeutung hinein, oder ist es bloß die toile de fond für ein
Naturbild?
Welche Bedeutung hat denn das Wetter für Michael Krügers Gedichte?
Der Franzose Francis Ponge hat schon vor Langem den „Parti pris des choses“,
die Auffassung der Dinge, in Poemen verewigt, die auch dem unscheinbarsten
Gegenstand eine eigene Aura verleihen und dem kleinsten Ding noch ein großes
Geheimnis zuordnen. Bei Michael Krüger gibt es Kiesel, die „das Epos der
Straße“ kennen, Schlüssel, die von Türen träumen. Ist das ein Animismus oder
Fetischismus, wie ihn Anthropologen kennen, oder ein althergebrachter
Pantheismus, der in den Sachen eine Seele und damit einen Funken
Göttlichkeit sieht?
Krüger treibt es sogar noch weiter: In manchen der Gedichte führen die
mündlich überlieferten Geschichten ein unerklärt materielles Leben, da ist
ein Fliegenfänger mit tausend toten Geschichten, oder zwei Küchenstühle, die
zuhören – das klingt wie eine Auffassung aus jenem Reich, wo geglaubt wird,
dass der Fotograf mit dem Bild auch die Seele des Fotografierten mit sich
nähme.