Amélie Nothomb
Der japanische Verlobte
Aus dem Französischen von Brigitte Große
Diogenes-Verlag
Die sehr erfolgreiche belgische Schriftstellerin Amélie Nothomb kam als
Diplomatenkind in Japan zur Welt und musste mit fünf Jahren weiterziehen
in andere ferne Länder: Bangladesch, China, Laos, Burma, New York. Doch
das Land ihrer Geburt blieb der Fixpunkt ihrer Jugend und ihr Ziel fürs
Leben als Erwachsene. Das hat sie in ihren Büchern gelegentlich
thematisiert, auch wenn sie sich von dem Gedanken klängst verabschiedet
hat: „Das war ein Privatmythos, ich war überzeugt, Japanerin zu sein und
die ganzen Jahre habe ich in allen Ländern, wo wir lebten, gesagt, ich
sei Japanerin, und sah die Verblüffung auf den Gesichtern der anderen.
Mir war das aber egal“, sagt sie heute. Und: Was sie da geschrieben
habe, das handle von ihr selbst. Als junge Frau heuerte sie als
fremdsprachige Fachkraft in einem der großen, stark hierarchisch
geformten japanischen Konzerne an. Dort erfuhr sie die Schattenseiten
ihres Lieblingslands am eigenen Leib. Wie es war, schilderte sie in dem
früheren Roman „Mit Staunen und Zittern“. Jetzt erzählt sie noch einmal
von dieser Zeit, und zwar vollkommen anders: Wie sie einen Japaner
kennengelernt hat und sich in ihn verliebt habe, mehr, weil er Japaner
war als aus einem anderen Grund.
Haben Sie sich denn auf Anhieb in Rinri, den „japanischen Verlobten“
verliebt?
Dass Rinri, der Freund der Erzählerin im Buch, nicht nur die europäische
Kultur mag, sondern als Lieblingsschriftsteller Stendhal hat, macht die
emotionale Kühle seiner Amélie erst recht pittoresk, denn Stendhal hat die
Gefühlsformen der Liebe, die Emotionen, die Begeisterung und die Trauer,
geradezu klassifiziert und bewertet. Zum Schluss möchte Amélie ihren Rinri
lieben wie die Samurai – verborgen, ohne äußere Verpflichtung. Weil er sie
aber missverstanden hat, ergreift sie die Flucht.
Was für eine Flucht war das?
So ist es vor allem eine Liebeserklärung an die Japaner, an ihre Kultur und
an das Land, das sie längst wieder verlassen hat.
Was bleibt, ist ein selbstironisch gefärbter hinreißender Roman, dessen
Autorin sich selbst einsetzt als eine Heldin, die vor einer zu intensiven
und missverstandenen Liebe davonläuft.
ISBN 978-3-257-06746-0
http://www.diogenes.ch/leser/neuebuecher/hardcover/alle/9783257067460/buch