Verlag Nagel & Kimche
Andrei Mihailescu erzählt eine Liebesgeschichte aus Zeiten der politischen Finsternis. Im Mittelpunkt steht Stefan, Journalist, der nach und nach versteht, wie das Regime, unter dem er lebt, funktioniert. Auch in Mihailescus Familie hat man Bekanntschaft mit dem Gefängnissystem Rumäniens gemacht. Als der Großvater des Autors aus der Haft zurückkam, war nicht nur er verändert: auch die Familie, wo inzwischen die Großmutter das Familienoberhaupt war und darum eine andere Struktur vorherrschte.
Sie beschreiben Stefan als einen großgewachsenen Mann. Hatten Sie da ein Vorbild?
Wie kommt es in diesem Buch, dessen Handlung Schritt für Schritt geradlinig vorangeht, zu dieser Art von Pause?
Es gibt auch in dieser allüberwachten Welt noch Nischen, wo einzelne sich freihalten und eigene Gedanken entfalten können, auch wenn sie nicht wirklich unabhängig sein können. Stefan trifft einen solchen Mann in seiner „inneren Emigration“ und kann sich mit ihm unterhalten – wegen der ewigen Abhörerei in einer schmalen Vorratskammer bei Radioklängen in maximaler Lautstärke.
Ist dieser Herr Salajan jemand wie Eginald Schlattner, der Geistliche in Siebenbürgen?
Beide Helden, Stefan und Raluca, können die Regeln der Welt, in der sie leben müssen, nicht ändern. Am Ende sind sie ein getrenntes Paar, wo der Vater des gemeinsamen Kindes zu gelegentlichen Besuchen kommen darf.
Ist das nicht sehr beiläufig als Schluss für diesen intensiven Blick in Ceaușescus rumänische Unwelt?
Durch diese Geschichte hindurch schimmert etwas ganz anderes,
Grundsätzliches. Nicht nur Stefan wird klar, in was für einem schrecklichen
System er leben muss, auch Raluca dämmert, dass nicht alles gut ist im
Reich, in dem sie und die ihren alle Vorteile genießen, die sich die
Parteioberen zuschanzen.
Aber es wird nicht jeder Aspekt der Diktatur erzählt. Mihailescu will keinen
Katalog der Schrecknisse ausbreiten, obwohl manches bis heute noch
nachwirkt, z. B. das Gefängnis von Pitesti, wo Gefangene zu Folterknechten
deformiert wurden.
Auf manche finstere oder skandalöse Aspekte haben Sie verzichtet. Warum?
Mihailescu rührt an die Geschichte seines Landes, in dem noch immer die Funktionäre von damals ihre Wirkung haben. Andererseits ist es eine spannende, von Anfang an mitreißende Liebesgeschichte. So ist dieser Roman der gelungene Versuch, anhand einer bestimmten historischen Situation die Schwierigkeit spontaner Liebe zu schildern. Oder andersherum: Der gelungene Versuch, anhand einer spontanen und unzulässigen Liebe die unmenschliche Grausamkeit eines Systems und seiner Nutznießer zu zeigen.
ISBN 978-3-312-00669-4
http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/guter-mann-im-mittelfeld/978-3-312-00669-4/