, Ilja Ilf, Jewgeni Petrow Das eingeschossige Amerika Aus dem Russischen von Helmut Ettinger
Eichborn, Die Andere Bibliothek, 2 Bände im Schuber, mit Fotos

Wer sich für russische Literatur interessiert, kennt den umwerfend komischen Roman „Zwölf Stühle“ der beiden Autoren. Wer die Fotografie Alexander M. Rodtschenkos mag, wird auch bei den Fotos, die die Autoren ihrem Buch beigegeben haben, auf seine Kosten kommen.

Der russische Diktator Stalin hatte den beiden russischen Erfolgsautoren Ilja Ilf und Jewgeni Petrow erlaubt, eine Reise-Reportage über die USA zu schreiben. Das ist der Inhalt dieser beiden herrlichen Bände, angereichert um Einleitungen der Tochter Alexandra Ilf und einen Aufsatz von Felicitas Hoppe. Es sind hinten sogar Leserbriefe abgedruckt, die 1937 auf das Buch reagierten.

Weil die beiden, Ilf und Petrow, einen so mitreißenden, frischen, gleichermaßen unvoreingenommenen wie luziden Blick auf die Welt haben, und weil ihre Beobachtungen so spontan und unmittelbar wirken und dazu noch witzig und humorvoll sind, ist dies Buch eine richtige Überraschung. Der Titel bezieht sich darauf, dass die beiden bald nach ihrer Ankunft in New York die – sehr bewunderte – Metropole verließen und 10.000 km durchs flache Land fuhren. Schon die Schilderung, wie sie Mr. Adams dazu bringen, sie zu begleiten, chauffiert von Mrs. Adams in einem Ford, den sie neu erworben haben, ist so erfüllt von dieser aufmunternden optimistischen Aufbruchsstimmung, die auch das Potential zur überraschenden Komik enthält. Sie beobachten neugierig die Kaffeeautomaten in einer Bar und den Ständer unter dem Stuhl, auf den man seinen Hut ablegt. Sie lassen sich den elektrischen Stuhl erklären und registrieren genau, wie die Farbigen diskriminiert werden und lassen sich das alles von einem Weißen erklären, dem seine Vorurteile eingeboren sind (und treffen sich darin mit Langston Hughes, der dieselben Beobachtungen zur Rassendiskriminierung publiziert hatte). Sie bewundern die Architektur und die Organisation des alltäglichen Lebens, sie erzählen mit gemischten Gefühlen von Hollywood, wo sie auf der Straße den Eindruck nicht loswerden können, alle Passanten schon einmal gesehen zu haben – aber wo? Natürlich als Statisten, im Kino. Was ihnen nicht gefällt, wird dennoch mit Staunen beschrieben: „… den Bossen von Hollywood gelingt es, gute, ehrliche, schwer arbeitende Durchschnittsamerikaner auf das geistige Niveau von Wilden herabzuziehen. … Dem Wähler werden politische Vorstellungen eingeredet, deren Niveau dem eines durchschnittlichen Hollywoodfilms entspricht.“ Manches ihrer Urteile ist vielleicht dem Umstand geschuldet, dass sie als Beobachter des nicht mehr ganz revolutionären Russland in den USA sind, insgesamt aber ist ihr Blick frei von Voreingenommenheit, sie urteilen offen und so überzeugend, dass es eine Freude ist, in ihren Berichten zu lesen, auch wenn sich die Welt seither verändert hat – die Menschen haben es gar nicht mal so sehr. Die ästhetische Ausstattung dieser Ausgabe ist dann noch eine zusätzliche Freude.

ISBN 9783821862392
http://www.eichborn.de/aktuelles/magazin/das-eingeschossige-amerika/