, René Laporte Hôtel Solitude aus dem Französischen von Gerda Zehnder
dtv

"Eines Abends empfand Jérôme Bourdaine plötzlich Ekel vor diesem Leben ohne jede Verbindlichkeit, dem Geplauder über das Roulette oder die fernen Bombenangriffe, deren Schrecken sich nicht einmal im Lächeln der Schwätzer niederschlugen. In einer Bar erzählte einer neben ihm von diesem Hotel."
Jérôme Bourdaine hatte rein zufällig seine Zelte in Nizza aufgeschlagen "in jener Zeit der Verunsicherung, die kurz nach dem Waffenstillstand manche Franzosen sagen ließ: >Akzeptieren wir das Provisorium, da es nur provisorisch ist<" – in Nizza, wo im Exil im eigenen Land die Pariser "die Komödie von Paris spielten". Sie alle sind aus der Bahn geworfen, es herrscht allgemein Bedrücktheit, fatalistische Tatenlosigkeit. Bourdaine war Autoverkäufer und hatte es sich mit seinen Einnahmen leisten können, das Leben eines Dandys zu führen. Nun, da ihm auch das zu viel wird, zieht er sich zurück und genießt "das unglaubliche Vergnügen, sich abwesend zu fühlen".

Das Hotel, von dem die Rede war, das Hôtel Solitude, atmet noch die Stimmung eines versunkenen Glamour, von hier hat man Blick aufs Meer und vor allem auf das Casino von Monte Carlo, doch das Hotel hat allein ihn als Gast, und dann noch ein russisches Paar, das hier die xte Station seines Exils gefunden hat. Der Ehemann betreibt mit einem Kompagnon ein seriöses Spielsystem am Roulette, das ihm die Existenz sichert, Zoya, seine Frau, lässt sich umgarnen von Jérôme und wäre bereit für ein Abenteuer – doch er, kaum dass er dies begreift, will sie ganz und erfasst nicht, was für eine Art Sicherheit Menschen suchen, die schon mehrfach vertrieben wurden und die tatsächlich wissen, was ein existentielles "Provisorium" ist.

Eine schwerblütige Romantik beherrscht diesen Roman, das Aufblitzen der Lust, bei ihm nach Art eines Don Juan, bei ihr überlegen berechnet, verglimmt unversehens. Jérôme ergreift endlich eine Initiative, Zoya wird weiter Tag für Tag auf ihren Mann warten, der mit seinen Spielgewinnen ins Hotel zurückkehrt, wie ein Angestellter mit seiner Lohntüte heimkommt.

Nach Emmanuel Bove sind schon einige Romane aus dem Frankreich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei uns erschienen, die nicht ins Deutsche übersetzt worden waren, weil nach dem Krieg eine andere Literatur gefragt war. René Laporte, 1905 in Südfrankreich geboren, hat diesen Roman 1944 veröffentlicht, vielleicht hätte er in der französischen Nachkriegsliteratur eine Rolle spielen können, doch er starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls im März 1954. Für uns ist "Hôtel Solitude" nicht der allerwichtigste Roman, aber er hat ein gewisses Flair, eine manifeste Romantik, die uns fesseln kann.

ISBN 978-3-423-26003-9

http://www.dtv.de/buecher/hotel_solitude_26003.html