, Claus Stephani Blumenkind

Es ist eine märchenhaft unaufgeklärte Welt, in die uns Claus Stephani hineingeleitet, der seit über dreißig Jahren jüdische und andere Geschichten und Sagen Osteuropas sammelt. Er erzählt uns die tragische, traurige, spannende und irgendwie faszinierende Geschichte einer jungen Frau im Rumänien der 30er Jahre.

Seit wie vielen Jahren sammeln Sie Märchen und folkloristische Überlieferungen Rumäniens?

Die junge Beila lebt in einer fernen Gegend, in der die Leute noch an die Möglichkeit der Verwandlung des Menschen in einen Wolf glauben. Hier erweisen sich die aktiven Antisemiten als solche Wolfmenschen, Prikulitsch genannt.
Beilas Mann kommt bei einem antisemitisch motivierten Überfall ums Leben, und sie selbst kann ihres Lebens nicht mehr sicher sein, weil nun die Männer ihres Dorfs sich über sie hermachen wollen.
Sie flüchtet und gelangt zu guten Menschen. Doch als sie sich mit einem Jungen einlässt, wird sie, weil Jüdin, zur Schuldigen einer eher unschuldigen Begegnung gestempelt. Die Anfeindungen im Dorf und der auch in der Ukraine und Rumänien immer virulenter werdende Antisemitismus der 20er und 30er Jahre zwingen sie wiederum in die Flucht. Sie kommt, inzwischen als Christin getarnt, bei einem Pfarrer unter, der sich an ihr vergeht, und flieht weiter, bis sie, inzwischen in Begleitung einer Tochter, in einem entlegenen Karpatendorf endlich bei einem älteren Paar unterkommt, das sich schon immer eine Tochter gewünscht hatte sich nun über das Enkelkind erst recht freut – bis ein böser Zufall Beila den Tod bringt. Ihre Tochter kann mit den Nenn-Großeltern vor der Roten Armee nach Westdeutschland flüchten.

Ist diese Anhäufung von Unglücken über einer Person nicht übertrieben?
Aus wie viel verschiedenen Individualschicksalen haben Sie die eine Geschichte destilliert?

Erwachsen, geht die Tochter auf Spurensuche – diese Momente hat Stephani immer wieder in seinen Roman eingeflochten, so dass wir seine Geschichte aus heutiger Perspektive sehen. Das ist einerseits eine Brechung und hält die Spannung zurück, andererseits wird uns auf diese Art das tragische und traurige Leben der Beila, die sich Berta nennen, sich verstellen und ihren Gott leugnen musste, nur weil sie leben wollte, erst richtig nah gebracht.
Eine kuriose Beobachtung am Rande: Bei Herta Müller, in ihrem Roman „Atemschaukel“, gibt es einen Prikulitsch, der die Lagerinsassen terrorisiert. Bei Stephani sind jene Prikulitsch, die die Juden verfolgen, also vor allem die Angehörigen des Nationalsozialismus, die wohl eher die deutschstämmigen Rumänen sind, die bei Herta Müller im Arbeitslager sitzen.

Als Anmerkung zu dieser Web-Site schreibt uns Claus Stephani:
Beilas Mann Jacob wurde von den faschistischen Legionären, den "Wölfen mit menschlichem Gesicht, ermordet.
Und Beila selbst kam durch die ungarischen Faschisten in Nordsiebenbürgen zu Tode.

ISBN 978-3-86555-067-5
http://www.schirmer-graf.de/index/Stephani.html