Alessandro BariccoMr. GwynRoman. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki
Hoffmann & Campe
Der Titel des Romans von Alessandro Baricco leitet sich ab von dem beliebten englischen Schriftsteller Jasper Gwyn. Eines Tages, und da fängt der Roman an, beschließt er, sein Leben zu ändern. Er will keine Bücher mehr publizieren, und tatsächlich bricht Jasper Gwyn seine Laufbahn als Schriftsteller gänzlich ab. Er will nicht mehr. Er findet seine bisherige Art, seinen Lebensunterhalt durch Schreiben zu verdienen, nicht mehr passend. Aber er führt das nicht einfach aus bzw. lässt das Schreiben sein, sondern er verfasst einen Artikel, den er, regelmäßiger Autor für den Guardian, dort leicht unterbringt. Darin listet er die 52 Dinge auf, die er nicht mehr tun will. Als erstes: Artikel für den Guardian schreiben. Weiter: sich „mit der Hand am Kinn in nachdenklicher Pose fotografieren lassen“. „Selbstsicherheit bei der Begegnung mit Schulklassen vortäuschen“. Und zuletzt: „Bücher schreiben.“
Als der Artikel erscheint, glaubt es erstmal kein Mensch: Das haben ja schon andere vorher gesagt und nicht befolgt, und er als 43-jähriger erfolgreicher Schriftsteller wird das doch bestimmt nicht umsetzen. Davon ist auch Bruce Shepperd überzeugt, sein Agent. Doch Jasper Gwyn macht ernst und zieht es durch. Dass es ihm leichtfiele, kann man nicht sagen: Er bemerkt, wie ihm das Schreiben als solches zu fehlen beginnt, das Anordnen von Gedanken in der geradlinigen Form des Satzes.
Seine Überlegungen, wie etwas zu formulieren sei, lassen ihn nicht los, bis ihm bewusst wird, dass das Schreiben eine Annäherung an die Welt ist, und dass er jetzt, statt zu schreiben, alles, was er tut, langsamer tut, gewissermaßen als „Ersatzliturgie“.
Der Schriftsteller, der nicht mehr schreiben will und der sich sogar sagt, er hätte nie schreiben dürfen, der aber das drängende Bedürfnis verspürt, zu schreiben – wie geht das? Wie nah sind Sie selbst diesem Paradox?
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