Richard WagnerBelüge michAufbau Verlag
Einer der interessantesten und fesselndsten Romane dieses Frühjahrs ist Richard Wagners „Belüge mich“. In der Art, wie Wagner einen ziemlich komplexen Sachverhalt zu einer leichten, gleichermaßen amüsanten wie spannenden und gut verfolgbaren Geschichte geformt hat, erinnert er an William Boyds Roman „Restless – Ruhelos“, die Story einer abgemeldeten Agentin des britischen Geheimdienstes der 1930er Jahre. Richard Wagners Roman nimmt seinen Anfang zwar auch in den 1930er Jahren, als Rumänien eine faschistische Diktatur war, aber es geht vor allem um unsere Zeit, circa 2005. Die Handlung spielt in Bukarest, die Hauptfiguren kommen aus Deutschland und erleben die rumänischen Zustände nach dem Maßstab ihrer deutschen Ideen, das heißt, wir dürfen mit ihnen und durch sie erfahren, wie es dort zugeht und was dort anders ist.
Eine Münchener Journalistin, Sandra Horn, soll hier eine Frauenzeitschrift lancieren und marktfähig machen. Sandra, die als 14-jährige mit den Eltern das Land verlassen hat, stürzt sich mit Eifer in dies marktwirtschaftliche Abenteuer. Das neue Produkt soll nach einer Tango-Tänzerin heißen: Lauretta – ein ambivalenter Titel für die neu zu lancierende Zeitschrift, denn die so berühmte wie mysteriöse Lauretta ist in den 30er Jahren mit Gift ermordet worden. Der Titel des Romans, „Belüge mich“, ist im Roman der Titel eines Tango-Liedes, und zugleich spiegelt er etwas von der Stimmung, die in Rumänien herrscht, in den 30er Jahren wie heute, unter den Faschisten wie unter den Stalinisten und ihren Nachfolgern.
Entspricht diesem Titel, „Belüge mich“, ein bestimmtes Lebensgefühl?
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Alex CapusLéon und LouiseCarl Hanser Verlag
Alex Capus erzählt uns in seinem Roman „Léon und Louise“ die Geschichte einer romantischen Liebe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zunächst in der französischen Provinz, dann in Paris. Léon wächst in der Bretagne am Atlantik auf und sieht sich beim Ausbruch des ersten Weltkriegs, weil er es zuhause nicht mehr aushält, nach einer Arbeit um – man setzt ihn bei der Bahn ein, irgendwo an der Marne, nicht allzu weit hinter der Front. In dem Dörfchen lernt er Louise kennen. Erst ist sie spröde und er ist schüchtern, dann, als sie sich nähergekommen sind, schlägt eine Granate ein, und die zwei verlieren sich. Léon wird Yvonne heiraten und mit ihr eine Familie gründen, Louise geht einen eigenen, eigenwilligen Weg.
Neben Ihrem Buch über authentische Bankräuber und über die historischen deutschen Schiffsbauer auf einem afrikanischen See wirkt die Geschichte von Léon und Louise wie eine Fiktion. Stimmt das?
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Zsuzsa BánkDie hellen TageS. Fischer
Zunächst ist es die Geschichte einer harmonischen, in sich geschlossenen Kindheit eines Mädchens, das voller Faszination von ihrer besten Freundin Aja erzählt, die mit ihrer Mutter das Leben einer Außenseiterein führt, die nach und nach integriert wird.
Was ist das für eine Ich-Erzählerin, die so wenig in Erscheinung tritt, dass man kaum weiß, wie sie heißt oder aussieht?
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Johannes MuggenthalerDie letzte TrauungWeidle Verlag
Was wäre ein glückvollerer Ort als das Standesamt, wo die Ehen getraut, wo glückliche Bindungen gefestigt und bestätigt werden und unverbrüchliche ewige Treue gefordert und gelobt wird? Johannes Muggenthaler hat sich für diesen Ort speziellen Glücks eine ganz andere Geschichte ausgedacht, etwas skurril, etwas grotesk und bestimmt nicht geeignet fürs Standesamt. „Die letzte Trauung“ nennt er seinen neuen Roman, und zunächst steht Marko, der Türhüter eines Standesamts, im Mittelpunkt. Wenn Marko nicht sowieso schon schwermütig gewesen ist, dann ist er es hier geworden. Er beobachtet, wie die anderen Standesbeamten, deren Tätigkeiten nur mehr Routine sind, die ihnen keine besonderen Gedanken mehr abfordert, sich vor allem auf ihre persönlichen Anliegen konzentrieren. Dabei sind sie ihren individuellen Schrullen unterworfen, z. B. hält einer der Standesbeamten gerne und ausdauernd pathetische Reden, was für manches Brautpaar geradezu beschwerlich wird. Und wie zum Ausgleich kann eine Standesbeamtin nicht frei reden, was sich bei der Formelhaftigkeit der von ihr vorzutragenden Texte kaum vorstellen lässt. Eines Tages nimmt sie einen Stromausfall zum Anlass, das Weite zu suchen.
Muggenthalers Roman folgt den verschlungenen Wegen Markos, der das Verschwinden der Beamtin für einen eigenen Ausflug nutzt. Auf einem Volksfest bandelt er mit einer Lebkuchenherzen-Verkäuferin an, er erlebt das Ausnüchterungszelt als besonderes soziales Biotop und gerät schließlich unter den Einfluss eines früheren Schulkameraden, der schon lange auf Abwegen ist.
Von Anfang an ist das Besondere an diesem Buch die Lust des Autors an ausgefeilten, fein ziselierten Formulierungen, in denen unmögliche oder lästige Sachverhalte so dargestellt werden, dass sie nicht mehr stören, sondern amüsieren.
Sind diese fein ausgearbeiteten Formulierungskunststücke nur das Vergnügen des Autors oder liegt darin auch eine Form von Abwehr gegen unmögliche Zustände?
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